Bauten der frühen Jahre
Als Schnittstelle zwischen Historismus und Moderne tritt in der Gründerzeit der Architekt Otto Wagner hervor.
Ab 1857 studierte Wagner am Polytechnikum in Wien, besuchte 1860 und 1861 die Königliche Bauakademie in Berlin und setzte seine Ausbildung an der Wiener Akademie der bildenen Künste fort. Praktische Erfahrung sammelte er im Atelier Ludwig von Försters.
Die ersten Jahrzehnte in seinem Schaffen haben ihn zu einem erfolgreichen Architekten gemacht. Der Grabenhof aus dem Jahre 1873 stellt auf eindrucksvolle Weise die Verbindung mit Theophil Hansen her. Der Grabenhof mit symmetrischem Eindruck ist noch dem Historismus zuzuordnen und zeigt noch nicht jene Merkmale, die so charakteristisch für das Schaffen von Wagner sind. Jedoch geht der Grabenhof weit über den Historismus hinaus, indem Wagner drei Gebäude mit einer symmetrischen Fassade verkleidete.
Etwa 20 Jahre später, 1894, baute Wagner wenig entfernt das sog. Ankerhaus. Es ist bereits sehr konstruktiv technisch gedacht, hat an beiden Sockelgeschossen vorgehängte Glasfassaden und wird von einem eleganten Glasaufbau bekrönt.
Wagner, der selbst sehr vermögend war errichtete häufig Häuser, in denen er selbst wohnte und die er später verkaufte so wie die 1885 errichtete, sog. Erste Villa Wagner> in der Wiener Hüttelbergstrasse. Angeblich soll Kronprinz Rudolf den Auftrag zu diesem Bauwerk gegeben haben, das, "im Stile des Palladio errichtet", durch phantasievolle Verwendung der Stilelemente bezaubert.
Die beiden Mietshäuser aus den Jahren 1888 und 1889 in der Universitätsstraße und und das Palais Hoyos am Rennweg zeigen schon deutlich die Handschrift Wagners aber keinen Bruch mit der Tradition.
Otto Wagner war einer der beiden Preisträger des Wettbewerbes zur Generalregulierung für das Gebiet von Wien. Im Anschluß daran erhielt er den Auftrag zum Bau der Stadtbahn, (Station Karlsplatz >)deren Stationen 1894-1900 entstanden; Stahlträger werden nun offen gezeigt, auf diese Weise zeigt er sich als Pionier der Moderne. Nieten und Bleche werden offen gezeigt, Ingenieursarbeit und Kunst werden miteinander kombiniert.
Wagners Antrittsvorlesung an der Wiener Akademie (1894) kann als Wendpunkt zur modernen Architektur gesehen werden. Wagner fordert darin eine radikale Erneuerung der Baukultur und sprach sich gegen eine Nachahmung historischer Stile aus.
Die Lehrtätigkeit spielte in seinem Leben eine grosse Rolle. Wagner bildete als Lehrer an der Wiener Akademie der Bildenden Künste eine große Zahl von Architekten heran (darunter über 60 Professoren an Universitäten und techn. Lehranstalten), die mit ihrer späteren Arbeit den radikalen Stilwechsel herbeiführten und Architekturgeschichte geschrieben haben. Aus der Schule Wagners gingen bedeutende Architekten, darunter auch Josef Hoffmann, Josef Maria Olbrich, Richard Neutra, Richard Neutra, Leopold Bauer, Emil Hoppe, Marcel Kammerer, Jan Kotera, Oskar Laske, Josef Plecnik, Otto Schönthal und Rudolf M. Schindler, hervor.
Die Wehr- und Schleußenanlage in Nußdorf aus dem Jahre 1894 zeigt schon ganz deutlich eine Vereinfachung der Baukörper und des Dekors, wie überhaupt jene Bauten, die durch die Bauaufgabe an die Technik geknüpft waren, am weitesten in die Zukunft wiesen.
Zeitweise deckten sich Wagners Bestrebungen mit denen der Secession. 1898 fand die erste Ausstellung im eigenen Ausstellungshause von Josef Maria Olbrich statt. Als Mitarbeiter von Otto Wagner von 1894-98 hatte er engen Kontakt mit diesem, der für beide befruchtend war. Einflüsse der Secession zeigt sich in einem nicht ausgeführten Entwurf für eine Kunsthalle dieser Zeit besonders deutlich.
An der Linken Wienzeile, die nach der Vorstellung von Otto Wagner zu einem Prachtboulevard ausgestaltet werden sollte, entstanden 1898-99 drei Mietshäuser, die noch keine fortschrittlichen Wohnungsgrundrisse hatten, schon deshalb nicht, weil sie sich ganz an das Verbauungsschema der Gründerzeit halten.
Das Eckhaus Linke Wienzeile/Köstlergasse> ist aufgrund seiner reichen Dekoration sicherlich das Spektakulärste, auch in diesem Hause hat Wagner einige Jahre gelebt. Legende ist die gläserne Badewanne, die sich in seiner Wohnung befunden haben soll. Als Großbürger par excellence hat sich Wagner nur wenig mit der Wohnqualität der unterzubringenden Massen der Großstadt beschäftigt. Für ihn war eine ordentlich gerasterte Straßenstuktur mit Massenverkehrmitteln wesentlich, die eine verkehrsmäßige Erschließung in der Stadt gewährleisten sollten.
Das daneben liegende Majolikahaus ist schon wesentlich moderner. Bei ihm nimmt Wagner erstmals von reliefartigen Ornamenten Abstand und betont mit der witterungsunempfindlichen Majolikaverkleidung stärker die Fläche. Aber trotz seiner stärkeren Verwendung der neuen Materialen konnte sich Wagner in seiner Formensprache niemals ganz von Traditionalismen lösen. Das Ornament wird, wie auch in der klassischen Architektur, für die Verdeutlichung architektonischer Gedanken angewandt.
Entscheidend für die Beurteilung Wagners wird sein Streben nach geometrisierender Reduktion auf die ideale Form. Zum international gültigen Markstein wird sein Postsparkassengebäude, 1904-06.
Die schlichten, schmucklosen Fassaden werden bestimmt durch die Granit- und Marmorplattenverkleidung mit ihrer auffallenden Nietung (Bronzeköpfe).
Völlige Sachlichkeit und kubische Architekturform im Äußeren sowie strenger Funktionalismus im Inneren (der große Kassensaal präsentiert sich noch heute in seiner modern anmutenden Gestalt aus der Bauzeit) dokumentieren die Zusammenfassung aller fortschrittlichen Tendenzen.
Otto Wagner bildete als Lehrer an der Wiener Akademie der Bildenden Künste eine große Zahl von Architekten heran (darunter über 60 Professoren an Universitäten und techn. Lehranstalten), die mit ihrer späteren Arbeit den radikalen Stilwechsel herbeiführten.
Als besonders herausragende Persönlichkeit unter den Wagner-Schülern ist Josef Hoffmann zu sehen, wenngleich er kein typischer Wagner-Schüler war. Hatte sich Hoffmann vor 1900 kurzfristig der Art Nouveau Richtung nahegefühlt und als Hausarchitekt der Secession den Stil der Ausstellungen im Wesentlichen mitgeprägt, wandte er sich nur wenig später vom Jugendstil ab und in einer Art Wiederbelebung des Klassizismus einfacheren Formen zu.
Kirche am Steinhof
Als der berühmteste Sakralbau aus der Zeit vor 1914 kann die Kirche am Steinhof (1905-07) von Otto Wagner gelten. Sie ist Teil einer pavillonartigen Anlage und zugleich deren Bekrönung in beherrschender Lage. Gute Sichtbarkeit dürfte der Grund gewesen sein, warum Wagner die Kuppel außen höher gestaltete als innen. Modern ist die Kirche weniger im liturgischen Konzept als im Raumeindruck. Im Detail wirkt sie stark byzantinisch. Bildende Kunst und Architektur erreichen große Einheitlichkeit - Glasmosaikfester von Kolo Moser, Engel von Othmar Schimkowitz, Plastik von Richard Luksch.
Bauten der späten Jahre
Das Schützenhaus von Wagner am Donaukanal, 1906-07, die ehemals sog. Wehranlage Kaiserbad diente zur Betätigung der Schleusen und war vom Schleusenwärter bewohnt. Auch hier ist die Außenfassade mit einer witterungsbeständigen Keramikverkleidung versehen. Wagner erfüllte alle technischen Anforderungen und nahm sie als Anlaß für dieses sehr eigenwillige Gebäude.
Seine modernsten Bauten errichtete Wagner in den Jahren 1909-1913. In den Häusern Neustiftgasse und Döblergasse und in ihren Innenhöfen waren die Handwerkerateliers aber auch Schauräume der Wiener Werkstätte. Weiters wurde in diesen Jahren (1910-1913) der schlichte, geschlossene, auf einem Doppel-T-Grundriss basierende Komplex der Lupusheilstätter errichtet.
Wagner hatte im Alter von 70 Jahren einen weiten künstlerischen Weg zurückgelegt. Von der Neorenaissance zur Moderne, vom klassischen Ziegelbau zur Stahlbetonkonstruktion, vom historischen zum eigenständigen Dekor. In seinen Monumentalbauten zeigte Wagner seine wahre Größe - großzügige Anlagen und hervorragend in der Konstruktion. Eines seiner letzten Bauwerke ist sein Alpensitz in der Hüttelbergstraße 1912-13.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges rückten die modernen Tendenzen in Kunst und Architektur in den Hintergrund. Mit dem Tod von Kaiser Franz Josef I im Jahre 1916 verlor die Österreichisch-Ungarische Monarchie seine letzte vereinende Persönlichkeit. Mit dem Ende des Ersten Krieges war die Monarchie zerfallen. Wien verlor seine Stellung als kulturelles Zentrum in Mitteleuropa.
Otto Wagner starb 1918 in Wien.
Einige Entwürfe von Leuchten respektive Lampen des Otto Wagner werden von WOKA LAMPS VIENNA in Wien in Handarbeit hergestellt.
Fotos: Karolinsky-Archive